„Arbeit 4.0“: Die Prävention geht mit
Studierende und UK RLP arbeiten Hand in Hand
Gemeinsame Sache machen die Unfallkasse Rheinland-Pfalz (UK RLP) und die Universität Trier: Mit Blick auf das „Arbeiten 4.0“ sind der UK-Fachbereich Gesundheit, Kultur und Arbeitsfähigkeit und die Abteilung Wirtschaftspsychologie der Universität Trier im Rahmen eines Praxisseminars der Frage nachgegangen, was genau Mitgliedsbetriebe der Unfallkasse in der sich immer schneller verändernden Arbeitswelt für sichere und gesunde Arbeitsbedingungen brauchen.
Digitale Transformation, Agilität, Kundenorientierung und flexible Arbeitsmodelle: All das und noch viel mehr umfasst das „Arbeiten 4.0“. Dieser Wandel der Arbeitswelt ist auch in landesweiten und kommunalen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes in Rheinland-Pfalz spürbar – er bringt veränderte Rahmenbedingungen, eine neue Arbeitsgestaltung und damit viele Herausforderungen und Unsicherheiten mit sich.
In dieser Situation möchte die UK RLP frühzeitig Lösungen und Beratungsansätze entwickeln, um ihren Mitgliedern die passenden Produkte, Informationen und Beratungsleistungen anzubieten. Doch auf welche Weise kann sie noch besser unterstützen? Welche Beratungsangebote wünschen sich die Mitgliedsbetriebe, um die Herausforderungen der neuen Arbeitswelt zu meistern? Das sollte im Rahmen des innovativen Kooperationsprojekts von UK RLP und Universität Trier erarbeitet werden.
Schon lange berät die Unfallkasse ihre Mitglieder und Versicherten zum Thema Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Dabei stehen insbesondere Arbeitgebende im Fokus, die vor der Herausforderung stehen, ihren Anforderungen nach dem Arbeitsschutzgesetz gerecht zu werden und eine Kultur der Zusammenarbeit zu fördern, die die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Beschäftigten gleichermaßen betrachtet.
„Die Fragen, die wir uns gestellt haben, sind folgende: Was bedeutet ‚Arbeiten 4.0‘ für die Sicherheit und Gesundheit unserer Versicherten? Was brauchen unsere Mitgliedsbetriebe von uns? Gibt es neue Anforderungen an die Prävention? Haben wir die passenden und wirksamen Leistungen, Beratungsansätze, Produkte, Informationen?“, erklärt Helin Dogan, Leiterin des Fachbereichs Gesundheit, Kultur und Arbeitsfähigkeit bei der UK RLP.
Der Klärung dieser Fragen nahmen sich die angehenden Psychologen an. Zu Beginn standen für die Masterstudierenden eine Kick-off-Veranstaltung und Interviews mit der Abteilungsleitung, den Aufsichtspersonen sowie den Präventionsberaterinnen und -beratern der UK RLP. Interviews wurden in der Folge auch mit Vertreterinnen und Vertretern von Mitgliedsbetrieben geführt – befragt wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter je eines Landesbetriebs, einer Kreisverwaltung, einer Stadtverwaltung, einer Verbandsgemeindeverwaltung und eines Entsorgungsbetriebs.
Als erstes widmeten sich die Studierenden dem Thema Fachkräftemangel und den daraus entstehenden Problemen in den Betrieben: Personal wandert ab, Stellen bleiben unbesetzt oder werden mit niedriger qualifiziertem Personal oder Quereinsteigern besetzt. Ein weiteres Problem ist, dass immer weniger Beschäftigte Führungspositionen übernehmen möchten. Der Fachkräftemangel bedeutet für die Beschäftigten, dass sie ihrerseits mehr Arbeit schultern müssen, und das kann nicht selten Überforderung, Unsicherheit und auch ein Ungerechtigkeitsgefühl zur Folge haben.
Als generelle Ansätze zur Prävention bringen die Studierenden eine „Verschlankung von Prozessen“ ins Spiel, um weniger Personal zu binden. Als weitere Maßnahme schlagen sie vor, die Attraktivität der Stellen zu erhöhen. Und was kann die Unfallkasse tun? Sie könnte Schulungen für Führungskräfte in Sachen Priorisieren und Delegieren von Aufgaben sowie Schulungen zu Resilienz anbieten. Eine Steilvorlage für die UK RLP, die diese Ansätze inzwischen schon in ihr Seminarprogramm aufgenommen hat.
Das Homeoffice ist ein weiterer wichtiger Teil des Wandels in der Arbeitswelt. Bei allen Vorteilen, die das mobile und flexible Arbeiten mit sich bringt, birgt es für Beschäftigte und Verantwortliche aber auch Hürden. Immer mehr Menschen arbeiten von zu Hause aus. Das bringt zum einen mit sich, dass neue Technik organisiert und angewendet werden muss. Bei Führungskräften kann das neue „Führen auf Distanz“ ein Gefühl von Kontrollverlust, bei den Beschäftigten der fehlende Austausch mit Kolleginnen und Kollegen ein Gefühl der Vereinsamung auslösen. Die räumliche und zeitliche Entgrenzung im Homeoffice kann für weitere Herausforderungen sorgen. Präventiv könnten Angebote wie „Digitale Kaffeerunden“ oder sportliche Angebote in Gruppen gegen die Vereinsamung helfen, meinen die Studierenden. Mit ihrem Homeoffice-Guide auf der Homepage leistet die UK RLP bereits weitere Unterstützung.
Ein weiteres Themenfeld, mit dem sich die Studierenden beschäftigt haben, sind die veränderten Bedürfnisse und Erwartungen an die Arbeit. Menschen wollen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten, viele setzen auf eine gute Work-Life-Balance. Gehalt als Anreiz reicht nicht mehr aus, weil vielen Beschäftigten freie Zeit wichtiger ist als mehr Geld. Mitarbeitende wünschen sich auch flachere Hierarchien, und immer mehr pochen auch auf die Möglichkeit, aus dem Homeoffice zu arbeiten. Um zu verhindern, dass Personal abwandert, muss die Führung all diese neuen Bedürfnisse berücksichtigen.
Wie wirkt sich dieses Spannungsfeld auf die Gesundheit aus? Den Antworten der Interviewten zufolge kann es zu Komplikationen in der Arbeitsorganisation kommen, zu Überlastung und zu teaminternen Konflikten. Führungskräfte bemängeln eine unklare Position im Team. Die Resilienz von Führungskräften zu fördern, sie in Schulungen für Führungsaufgaben fit zu machen – etwa im Priorisieren und Delegieren von Aufgaben – könnte den Studierenden zufolge auch an dieser Stelle eine wünschenswerte Form der Beratung durch die UK RLP sein.
Angesichts der schwierigeren Organisation der Arbeit müssen Führungskräfte auch ansonsten einen Überblick bewahren. Das Gleiche gilt für Beschäftigte. Während die Arbeitsaufgaben oft einen höheren Anspruch haben und zunehmend komplex sind, nimmt der „Kundenkontakt“ ab. Dazu kommen Unsicherheiten durch neue, schnell wechselnde Aufgaben und die schnellere Kommunikation durch E-Mails. Neue Kompetenzen sind notwendig. Unsicherheit, Ängste, Überlastung, Stress sowie Überforderungs- und Widerstandsgefühle können die Folge sein.
Als generellen Ansatz zur Prävention schlagen die Studierenden vor, dass die Organisation Programme stellt, die Mitarbeitende in ihrer individuellen Arbeitsorganisation entlasten. „Ansprüche an Mitarbeitende müssen sich ändern. Zudem sind mehr Ausgleichsangebote nötig, zum Beispiel Ferienbetreuung“, so die angehenden Psychologen.
Die Erfüllung neuer rechtlicher Rahmenbedingungen, insbesondere die Datensicherheit im Digitalisierungsprozess, ist ebenfalls eine große Herausforderung. Stichpunkte hier sind das Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz als rechtlich festgelegte Aufgabe für Arbeitgebende und Führungskräfte, Arbeitszeitüberwachung im Homeoffice sowie der schnelle Wandel rechtlicher Grundlagen und die hohen Hürden im öffentlichen Sektor (etwa beim Digitalisierungsprozess in Behörden). Als belastende Folgen daraus nannten die Befragten Unsicherheiten und Überlastung, Informationsflut und ein Gefühl der „Überwachung“. Wünschenswerte Formen der Beratung durch die UK RLP sind in diesem Zusammenhang Schulungen zur Rechtslage und zum Gesundheitsschutz auf Seiten der Führungskräfte sowie zur Selbstorganisation auf Seiten der Mitarbeitenden.
Die gewinnbringende Kooperation zwischen Wissenschaft und gesetzlicher Unfallversicherung soll bei der Thematik weiter ausgebaut werden. Daneben sieht sich die UK RLP darin bestätigt, dass sichere und gesunde Arbeitsbedingungen sowohl in der heutigen als auch zukünftigen Arbeitswelt an Bedeutung gewinnen und weiterhin stark unterstützt werden müssen.
Sie interessieren sich für Details zum Projekt und der Methodik? Über die Lehrkooperation haben Helin Dogan (UK RLP) und Prof. Dr. Thomas Ellwart (Universität Trier) den Fachartikel „Arbeit 4.0 und Prävention: Studierende und Unfallversicherung arbeiten Hand in Hand“ im DGUV forum 10/2024 verfasst.