Frischluft siegt
Empfehlungen zum Infektionsschutz
Dr. Christoph Heidrich, Abteilungsleiter Prävention, informiert
Über ein Jahr und gefühlt unzählige Corona-Schutz-Verordnungen haben wir hinter uns gebracht. Die Eselsbrücke AHA+L+A wurde in der gesamten Zeit als Maßnahmenkette für ein sicheres Verhalten entwickelt, weiterentwickelt und in der Bevölkerung sukzessive etabliert. Die Pandemie ist noch immer präsent. Sie ist stärker denn je.
„Nun wird das Infektionsschutzgesetz geändert. Bei einer Inzidenz von 100 gemeldeten Corona-Infektionen pro 100.000 Einwohner greifen dann weitergehende bundeseinheitliche Maßnahmen. Und leider können wir nach Lage der Dinge davon ausgehen, dass wir in vielen Regionen Deutschlands betroffen sein werden“, so schätzt Dr. Christoph Heidrich, Abteilungsleiter Prävention, die aktuelle Lage ein. Im Interview informiert er über die derzeitige Situation und gibt Empfehlungen zum Infektionsschutz.
War alles Engagement und alle Disziplin der vergangenen Monate umsonst gewesen?
Nein. Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse lassen uns begründet vermuten, dass wir ohne diese Maßnahmen weitaus mehr Menschenleben verloren hätten. Schlimm genug, dass bisher in Deutschland bereits mehr als 80.000 Menschen an und mit Covid-19 gestorben sind.
Haben wir Menschen denn in der Pandemiebekämpfung Fortschritte erzielt?
Ja. Wissenschaftler haben in Rekordzeit mehrere hochwirksame Impfstoffe entwickelt.
Ja. Wir wissen heute viel genauer als noch vor einem Jahr, welche Übertragungswege relevant und welche Schutzmaßnahmen wirken.
Ist also alles gut?
Leider noch nicht. Wir haben wahrscheinlich in den vergangenen Monaten allesamt ein wenig den Weitblick verloren. Den Weitblick für das Wesentliche. Den Weitblick dafür, welchen Beitrag wir alle zur Bekämpfung der Pandemie erbringen können und müssen. Welche Maßnahmen elementar sind, welche Maßnahmen eher ergänzend sind.
Was aber sind die elementaren Maßnahmen?
Weiterhin gelten als geeignete elementare Maßnahmen: Abstand und Hygiene einhalten und bei engem Kontakt Mundschutz (Medizinische Gesichtsmaske, KN 95- oder FFP2 Masken) tragen. Dazu zählt weiter das Lüften in geschlossenen Räumen (AHA+L).
Welche Bereiche Sind besonders gefährdet?
In Innenräumen lauert die wesentliche Gefahr! Hier ist das Risiko, sich mit SARS-CoV-2 Viren anzustecken um ein Vielfaches höher als draußen. Dabei ist es dem Virus vollkommen egal, ob Innenräume im dienstlichen, kulturellen, religiösen oder privaten Kontext genutzt werden.
Die Ansteckungsgefahr im Freien ist vergleichsweise gering. Draußen ist es nicht „gefährlich“. Im Gegenteil: Wer sich mit einer Person zum gemeinsamen Spaziergang oder zum Kaffee im Park trifft, ist weit weniger gefährdet als diejenigen, die dies im Wohnzimmer tun. Im Gegenteil, draußen ist die Einhaltung der bekannten Hygieneregeln wahrscheinlicher zu erwarten.
Was bedeutet diese Erkenntnis konkret?
- In Innenräumen sollten möglichst wenige Menschen außerhalb eines Hausstandes zusammenkommen. Im beruflichen Kontext ist Homeoffice hierzu das erste Mittel der Wahl. Es hat sich gezeigt, dass frühere pauschale Aussagen, wie „Diese Arbeit ist im Homeoffice nicht zu erledigen“ oder „Homeoffice ist bei uns technisch nicht umsetzbar“ in den meisten Arbeitsfeldern längst überholt sind.
Je größer die Zahl der Quadratmeter pro Person im Raum desto länger dauert es, bis die Luft kontaminiert werden kann. Im Idealfall sind pro Person 10 m2 Raumfläche vorhanden. - Aufenthaltszeiten mehrerer Personen sind in Innenräumen so kurz wie möglich zu gestalten. Lediglich für zeitlich begrenzte Besprechungen sollten in Räumlichkeiten mehr als eine Person zusammenkommen. Dauerhafte Mehrfachbesetzungen in Büros sind zu vermeiden.
- Auch bei kurzen Verweildauern ist auf die Einhaltung eines Mindestabstands zu achten.
- Regelmäßiges Stoß- und Querlüften, insbesondere bei unvermeidbar gemeinsamer Nutzung von Räumlichkeiten, trägt dazu bei, dass Frischluft hereingetragen wird. Als Faustformel gilt: Mindestens alle zwanzig Minuten mehrere Minuten lüften (siehe auch: Alles zur CO2-App gibt es hier)
- Es ist zu berücksichtigen, dass Risiken auch dann bestehen, wenn man sich nicht unmittelbar trifft, aber in einen schlecht belüfteten und bzw. oder zu kleinen Raum tritt, in dem sich zuvor Menschen längere Zeit aufgehalten haben.
- Mund-Nasen-Schutz ist immer dann zu tragen, wenn Mindestabstände nicht sicher eingehalten werden können. Dies gilt insbesondere für Innenräume. Normierte Masken, wie OP-Masken oder FFP2-Masken sind hier die Mittel der Wahl.
Jede der genannten Maßnahmen für sich hat ihren Wert. Aus ihrer Kombination entsteht ein Höchstmaß an Sicherheit.
Maßnahmen zur Minimierung einer Schmierinfektion, wie Desinfektion von Kontaktflächen und Materialien, sind als ergänzende Maßnahmen einzustufen.
Bei Aufenthalt im Freien und Einhaltung des Mindestabstands gibt es nur wenige fachliche Gründe, einen Mund-Nasen-Schutz zu fordern. Dies gilt schon gar nicht für FFP2-Masken. Hier gilt auch zu bedenken. Arbeitsmedizinische Vorsorge ist seitens des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin anzubieten, wenn das Tragen von FFP2-Masken durch die Beschäftigten von ihm/ihr vorgeschrieben ist und eine Dauer von 30 Minuten täglich überschreitet.
Haben sich durch die Schnelltests die Notwendigkeiten der Schutzmaßnahmen nicht verringert?
Schnelltests oder Selbsttest sind enorm hilfreich, um auch symptomlos an Covid-19 infizierte Personen frühzeitig zu entdecken. Da aber diese Antigentests nur bei akut infektiösen Personen zuverlässig anschlagen, gelingt dies nur dann gut, wenn diese Tests regelmäßig durchgeführt werden. Zwei Tests pro Woche, wie nun vom Gesetzgeber angestrebt, sollten es schon sein. Vor allem bei wiederkehrend zusammenkommenden Gruppen ist diese Teststrategie wertvoll. Davon profitieren insbesondere Beschäftigtengruppen die – bedingt durch ihre Aufgaben –nicht im Homeoffice arbeiten können. Auch im Bildungsbereich können wiederholte Schnelltests gut helfen, die dort vorhandenen Risiken einzugrenzen.
Weniger gut helfen die Schnelltests bei einmalig zusammenkommenden Gruppen. Insbesondere bei hohen Infektionszahlen können diese aufgrund der Tatsache, dass sie nicht zu hundert Prozent infektiöse Personen rausfischen, eine trügerische Sicherheit bedeuten.
Überhaupt nicht aussagekräftig sind die Tests, um unmittelbar nach einem Kontakt mit anderen Personen zu prüfen, ob dieser eventuell zu einer Infektion geführt hat. Die reine Infektion wird durch die Tests nicht sichtbar.
Fazit: Auch nach negativen Schnelltests müssen die grundsätzlichen Maßnahmen, wie Abstand, Hygiene, Lüften und Maske, weiter aufrecht erhalten bleiben.
Müssen wir jetzt ewig so weitermachen?
Nach derzeitigem Stand können wir optimistisch sein, dass mit zunehmender Durchimpfung der Bevölkerung die Pandemie besiegt werden kann. Länder in denen ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist, zeigen große Erfolge in der Bekämpfung von Infektionen mit tödlichem Ausgang oder auch schwerem Verlauf. Bis dahin gilt es, Ausdauer zu bewahren, beruflich und privat diszipliniert zu bleiben, Regelungslücken nicht zu missbrauchen und sich impfen zu lassen. Nur wenn viele von uns geimpft sind, können wir alle davon profitieren. Bleiben Sie gesund!
Ihre Unfallkasse Rheinland-Pfalz!
AHA+L+A = Abstand, Hygiene, Alltagsmaske (zwischenzeitlich Schutzmaske), Lüften, APP